
Im ersten Teil meiner Artikelreihe für die ZWL ging es um den Übergang von KI 1.0 zu 2.0 – von der reinen Prozessautomatisierung hin zur technologischen Transformation. In Teil 2 rückt nun eine zentrale Frage ins Zentrum: Wie viel Mensch braucht die KI – und wie viel KI verträgt der Mensch im zahntechnischen Alltag?
Die ganze Version des Artikels könnt Ihr hier als PDF herunterladen – hier auf dem Blog teile ich wieder einige Kerngedanken.
Zwischen Euphorie und Realität: Wo steht die Zahntechnik heute?
KI in der Zahntechnik – zugegeben: Der Hype um KI ist allgegenwärtig. Doch jenseits von Buzzwords und Clickbait lohnt sich ein realistischer Blick auf das, was aktuell tatsächlich möglich – und sinnvoll – ist. Drei Aspekte stehen dabei im Fokus:
- Sinnvolle Integration statt Overkill: KI-Systeme können Workflows verbessern – wenn sie klug eingebettet werden. Nicht jedes Labor braucht gleich eine 360°-KI-Offensive. Entscheidend ist der Mehrwert im Alltag.
- Mensch und Maschine: Wer hat das letzte Wort?
Gerade bei KI-gestützten Entscheidungen kommt es auf Nachvollziehbarkeit an. Explainable AI (XAI) hilft, Ergebnisse zu bewerten und nötigenfalls gegenzusteuern. Wer Verantwortung übernimmt, muss auch eingreifen können. - Datenschutz vs. Datenhunger: Fortschrittliche KI braucht Daten – viele Daten. Doch gerade im sensiblen Gesundheitsbereich ist Datenschutz kein Nice-to-have, sondern Pflicht. Die Balance aus Nutzen und Ethik wird zum Prüfstein jeder Integration.
Vier Zukunftsfelder, die unsere Arbeit verändern könnten
Die nächsten Jahre versprechen spannende Entwicklungen – hier vier Felder, die besonders im Blick stehen sollten – auch beim Thema KI in der Zahntechnik:
🧠 LLMs & Reasoning-Modelle: Sprachmodelle wie ChatGPT finden ihren Weg in Medizin und Zahntechnik. Sie helfen, komplexe Zusammenhänge zu erfassen – von Vorerkrankungen über Materialien bis zur Behandlungsplanung.
🎨 Generatives Design: KI-Systeme erzeugen nicht mehr nur Varianten – sie gestalten eigenständig Zahnersatz-Designs. Basierend auf funktionellen und ästhetischen Parametern entstehen echte Neuentwürfe.
🕶️ Immersive Kollaboration: Mit VR-Technologien wird Zusammenarbeit in Echtzeit möglich – auch über Standortgrenzen hinweg. Zahnarztpraxis und Labor betreten gemeinsam den virtuellen Raum.
🛠️ Adaptive CAM-Systeme: Zukunftsfähige Fertigung heißt: CAM-Systeme, die sich in Echtzeit anpassen. Weniger Ausschuss, mehr Präzision – das ist kein ferner Traum, sondern realistische Vision.
Die spannendste Frage ist nicht, was KI kann. Sondern: Was machen wir mit dieser Fähigkeit?
Annett Kieschnick
Wer bleibt, wenn die KI übernimmt? Wir.
So faszinierend all das klingt – eines bleibt unersetzlich: Die Intelligenz der Hände. Kein Algorithmus ersetzt das geschulte Gefühl für Material, Ästhetik und Individualität. Zahntechnik ist mehr als Technik – sie ist Handwerk, Kunst und Empathie. Was also bleibt? Eine Symbiose. Die besten Ergebnisse entstehen, wenn menschliche Expertise und maschinelle Intelligenz miteinander arbeiten. Es geht nicht um Entweder-oder, sondern um ein kluges Zusammenspiel.
Vier Wege für eine erfolgreiche Integration
Was können Labore konkret tun? Vier Hebel, die sich in der Praxis bewähren:
- Prozesse statt Punktlösungen denken.
- Schnittstellen zwischen Mensch und KI definieren.
- Hybride Teams mit breiten Kompetenzen bilden.
- Pilotprojekte evaluieren und dann skalieren.
Was ich besonders spannend finde?
ZT Björn Rose (Dental Direkt) etwa arbeitet bereits mit „DentBird AI“ – einer Plattform für vollautomatisiertes Kronendesign. Sein Urteil? „Die Software erkennt präparierte Zähne eigenständig und liefert innerhalb von Sekunden präzise Ergebnisse. Und trotzdem bleibt jederzeit Platz für manuelle Feinarbeit.“ Klingt nach einer Zukunft, in der Technik unterstützt, aber nicht ersetzt.
Die KI wird unser Handwerk verändern, daran führt kein Weg vorbei. Die spannende Frage ist nicht ob, sondern wie wir diese Werkzeuge intelligent einsetzen, um unsere Expertise zu erweitern und die Kontrolle zu behalten. Es geht um die Symbiose zwischen menschlicher Erfahrung und maschineller Präzision.
Dieser Beitrag kratzt nur an der Oberfläche. Den vollständigen Artikel „Beyond Zahntechnik – reloaded: Die KI-Edition, Teil 2“ aus der ZWL 3/2025 (OEMUS MEDIA AG) gibt’s hier als PDF:
Der nächste Teil der Serie fragt dann: Was passiert, wenn generative Systeme eigenständig Zahnersatz designen? Und was bedeutet das für Zahntechnikerinnen und Zahntechniker?