
Freelancing in der Zahntechnik: Einblicke in ein neu gedachtes Arbeitsmodell
Was hat Dich dazu inspiriert, diesen Weg in der Zahntechnik zu beschreiten und was bedeutet es für Dich, Deinen Beruf auf so individuelle Weise auszuüben?
Die Art und Weise, wie ich meinen Beruf heute ausübe, hat sich im Laufe der Jahre entwickelt, ohne dass ich ein definiertes Ziel vor Augen gehabt hätte. Über 20 Jahre lang habe ich gemeinsam mit meinem Mann Jürg Stuck ein Labor in Köln geführt und Zahnersatz handwerklich sowie später mit digitaler Unterstützung hergestellt. Dabei erstellten wir die meisten komplexen Restaurationen gemeinsam und brachten beide unser Wissen und Know-how ein. Ab dem Jahr 2016 arbeiteten wir bei unserem Freund und Kollegen Christian Vordermayer (Oraldesign Chiemsee) als „freischaffende“ Zahntechniker. Hier zeichnete sich eine erste Änderung meines Berufsweges ab. Innerhalb eines größeren Teams war ich eng in die Planung von herausnehmbarem Zahnersatz involviert und brachte mein Know-how im Sinne des Patienten ein. Letztlich kümmerte ich mich jedoch handwerklich ausschließlich um den Verblendbereich. Dies war der Startschuss dafür, mein Wissen und Können als „gesonderte Leistung“ anzubieten. Nun war nicht mehr die Zahnarztpraxis mein Kunde, sondern ein Labor. Seit 2022 sind wir in meiner alten Heimat, dem Südschwarzwald. In dieser Lebensphase kann ich die Früchte meiner jahrelangen Erfahrung ernten. Jetzt darf ich das tun, was mir am meisten Spaß macht: Komposit verarbeiten in handwerklicher und auch „lehrender“ Form.
Hier liegt die große Kunst: Wenn ich mein Material kenne und entsprechende, auch opake Massen zur Verfügung habe, kann ich selbst mit dünnsten Schichten eine ästhetische Verblendung realisieren.
Was genau ist unter ‚Dental Freelancer‘ zu verstehen?
Ich verstehe mich als „freischaffend“ und setze meine Expertise auf vielfältige Weise ein: handwerkliches Verblenden mit Komposit- und Keramikmaterialien als Auftragsarbeiten oder Projekte für die Industrie, bei denen zahntechnisches Geschick und kreatives Denken gefragt sind. Dazu gehören beispielsweise Materialtests wie die Farbeinstellungen für 3D-Druckresine oder der Farbabgleich zwischen Verblendkomposit und Konfektionszähnen. Zudem bin ich weiterhin im Fortbildungsbereich tätig und biete Inhouse-Kurse und Schulungen für verschiedene Firmen an.

Du erstellst für Dentallabore Auftragsarbeiten im Bereich Komposit- und Keramikverblendungen. Welche Vorteile hat diese Spezialisierung?
Viele meiner Labor-Kunden kenne ich seit Jahren, hauptsächlich aus meinen Kursen. Überwiegend realisiere ich komplexe Arbeiten, wie das Verblenden von Teleskopbrücken oder implantatgetragene Versorgungen. Wir arbeiten eng zusammen und ich gebe auf Wunsch bereits bei der Planung intensiv Support. Das wird von vielen Laboren geschätzt. Denn immer gilt: Die Vorbereitung muss stimmen und dies bedeutet, dass mit einem Mock-up oder einer ästhetischen Anprobe gearbeitet wird. Ist der Rahmen festgelegt, bekomme ich die Unterlagen und setze die anatomischen Vorgaben in die Kompositverblendung um. Genauso verfahre ich bei keramischen Verblendungen.
Der große Vorteil liegt auf der Hand: Durch den Fachkräftemangel in der Zahntechnik wird es für die Labore immer schwieriger, gut ausgebildete Kolleginnen und Kollegen zu finden, vor allem im Bereich der Kompositverblendungen und des herausnehmbaren Zahnersatzes.
Du bist auch bekannt für Deine Pionier-Arbeiten in der Komposittechnik. Wie hat sich dieser Bereich der Zahntechnik während Deiner Laufbahn verändert und welche Trends siehst Du?
Im Moment habe ich das Gefühl, die Küvettentechnik erlebt einen Aufschwung. Dies könnte mit dem Fachkräftemangel zusammenhängen, da mit dem Vorgehen weniger geübte Techniker komplexe Arbeiten mit Komposit verblenden können. Die Digitalisierung bietet zudem immense Vorteile in der Planung und Vorbereitung. Auf dem Bildschirm können anatomische Planungen erstellt und konstruiert, für die Gerüstgestaltung zurückgerechnet oder vollanatomisch in Kunststoff gedruckt oder gefräst werden. Sie können als ästhetische Anprobe, Reiseprothese oder „Platzhalter/Dummy“ in der Küvettentechnik zum Verblenden genutzt werden. Mittlerweile gibt es Labore, die gefräste Tertiärkonstruktionen auf die Sekundärgerüste kleben und anschließend mit der Maltechnik individualisieren. Langfristig könnte dies die Zukunft sein: gefräste, verklebte Strukturen, die bei Bedarf erneuert werden. Dennoch denke ich, dass die Kompositverblendtechnik uns noch lange erhalten bleibt.
Der Satz: „Das geht nicht anders bei Ihnen“ darf nicht die Lösung sein. Vielmehr müssen wir richtig planen und mögliche Tücken vorab erkennen und berücksichtigen.
Gerade bei teleskopierendem Zahnersatz liegt die größte Herausforderung im Platzbedarf für Innenteil, Außenteil und Verblendung. Für zahnfarbenen Strukturen bleiben oft nur 0,7 bis 1,0 mm. Wir alle kennen das Problem aus dem Alltag: Der präparierte Zahnstumpf bietet uns an entscheidenden Stellen nicht genügend Platz. Das Innenteil ist in seiner Dimension meist schon größer als der ursprüngliche Zahn und dann folgen noch Außenteil und Verblendung. Daher sind Teleskoparbeiten oft überdimensioniert. Für den Patienten bedeutet das, dass muskuläre Abläufe, Sprechmotorik und das Gefühl der „oralen Heimat“ erheblich beeinträchtigt sein können.