Zukunft Zahnmedizin / Zahntechnik – Wie gut sind Sie vorbereitet?

Daten, Zahlen, Fakten und Prognosen (Zahntechnik, Zahnmedizin)

Für die Ausgabe 02/2020 der dental dialogue habe ich über die Veränderungen in der Zahnmedizin und Zahntechnik geschrieben. Der Artikel basiert auf der europäischen Dentalmarktstudie ATLAS DENTAL 2019. Lesen Sie einige Auszüge; der vollständige Artikel ist in der dental dialogue zu lesen und kann als PDF am Ende dieser Seite heruntergeladen werden.

Sagen wir’s einmal so, es sind nicht wirklich die News des Tages: Die Arbeitswelt verändert sich mit zunehmender Digitalisierung. Doch was bedeutet das und wo stehen wir heute? Und wie kann sich das Dentallabor aufstellen, um für die Zukunft gewappnet zu sein? Zum jetzigen Zeitpunkt geht es nicht darum, die richtigen Antworten parat zu haben, sondern darum, die richtigen Fragen zu stellen.

„In den am weitesten entwickelten Ländern verlieren in den nächsten fünfundzwanzig Jahren 47 Prozent der Menschen ihre Jobs“, zitiert der Visionär und Philosoph Richard David Precht die düstere Oxford-Studie von Ökonom Carl Benedikt Frey und Informatiker Michael Osborne aus dem Jahr 2013. Die Studie geisterte lange Zeit durch die Medien, wurde oft missverstanden, polemisch zitiert, heiß diskutiert und kritisch auseinandergenommen. Das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung veröffentlichte eine Gegenstudie, der zufolge „nur“ neun Prozent der Berufe in OECD-Ländern automatisierbar und somit ersetzbar sind. Das Szenario schwebt über uns; auch in der Zahntechnik lässt sich der Wandel nicht einfach „unter den Teppich kehren“. Momentan geht es nicht darum, welche Prognose korrekt ist, sondern vielmehr darum, zu verstehen, dass die Automatisierung der Arbeitswelt kein Automatismus ist, sondern vom Menschen gestaltet wird. Hierfür bedarf es des Wissens um die Fakten und um den Status quo.

Das Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ, Köln) betrachtete die Vergütung von Zahnersatz in Dänemark, Deutschland, Niederlande, Schweiz und Ungarn. Demnach sind die Gesamtpreise für prothetische Leistungen (zahnärztliches Honorar, Material- und Laborkosten) in Deutschland im Mittelfeld und in etwa gleich hoch wie in Dänemark und den Niederlanden.

Grafik: ATLAS DENTAL

Der ATLAS DENTAL 2019, eine Studie der GFDI mbH, legt in einer umfangreichen Daten- und Literatursammlung aktuelle Zahlen dar und stellt mögliche Prognosen vor. Die europäische Betrachtung bezieht in ihre Ausführungen Zahnarztpraxen, Dentallabore, Zahntechnik und Dentalindustrie/Händler ein.

Die Kraft des europäischen Dentalmarkts

In der Europäischen Union werden für Zahnbehandlungen zirka 80 Milliarden EUR ausgegeben. Das sind rund 156 EUR Pro-Kopf-Ausgaben im Jahr; Tendenz steigend. Im gesamten EU-Raum gibt es etwa 340.000 praktizierende Zahnärzte in rund 230.000 Praxen. Etwa 210.000 Zahntechniker arbeiten in etwa 40.000 Dentallaboren. Zudem summieren sich zirka 25.000 Medizintechnikunternehmen mit schätzungsweise 650.000 Beschäftigten. Allein diese Zahlen zeigen, wie stark die gesamte europäische Dentalbranche ist.

Deutschland ist nach den USA und China weltweit der drittgrößte Produzent von Medizintechnik (hierzu zählt auch die Dentalbranche).

Zudem kann ein Blick auf die Verteilung der Zahnärzte aufschlussreich sein. Im Jahr 2017 gab es etwa 72.000 praktizierende Zahnärzte; 61.900 waren in der ambulanten vertragszahnärztlichen Versorgung tätig; 11.200 davon als angestellte Zahnärzte. Und während die Zahnarztdichte seit dem Jahr 2000 zugenommen hat, sinkt die Zahl der Zahnarztpraxen. Das Durchschnittsalter der Zahnärzte steigt und lag Ende 2016 bei 48,6 Jahren. Spannend ist auch der Blick auf den deutschen Labormarkt (Zahntechnik). Es gibt zirka 19.500 Dental- und Praxislabore. Etwa 32 % der Zahnarztpraxen haben ein Praxislabor; 55 % davon mit Zahntechnikern. Werden die umsatzsteuerpflichtigen Betriebe zusammengezählt, gab es 2016 insgesamt 7.211 gewerbliche Labore. Hinzu kommen 11.290 Praxislabore.

Digitalisierung

Eines scheint sicher: Mit der Digitalisierung wird auch ein wichtiger „Aspekt“ wieder stark in den Mittelpunkt rücken, nämlich der Mensch. Gerade das Handwerk kann davon profitieren. Doch ohne die Entwicklung aktiv zu begleiten, werden andere diese Chancen nutzen. Abgesehen von den Fertigungstechnologien wird die Digitalisierung viele Bereiche der Medizin und Zahnmedizin verändern. Als Impulsgeber werden im ATLAS DENTAL digitale Sprachassistenten beschrieben. Zudem können das Internet of Things (IoT), intelligente Software und künstliche Intelligenz (KI) Verbesserungen der digitalen Infrastruktur mit sich bringen. Datensammelnde Geräte ermöglichen in Verbindung mit KI und Analyse-Algorithmen viele Chancen, Potenziale und neue Geschäftsmodelle. Hierfür bedarf es entsprechender Fachkräfte; daher sind neue Berufsbilder in Bereichen wie der IoT und der Industrie 4.0 denkbar und die Dentalbranche ist gefordert, hier aktiv an der Gestaltung mitzuwirken.

Der digitale Patient

Nicht nur im Bereich der Fertigung (digitale Zahntechnik) beeinflusst die Digitalisierung den Dentalmarkt. Der Patient gewinnt Marktkraft. Gestiegenes Bewusstsein für Mundgesundheit und digitale Möglichkeiten verändern den „Nachfragemarkt“. Patienten sind gut informiert und vergleichen verschiedene Angebote. Patienten nutzen zudem Arzt-Suche- und Bewertungsportale, tauschen sich auf Plattformen aus, informieren sich über Behandlungsverfahren sowie Alternativen etc. Zudem verfügen sie über Wearables sowie Apps und können auf eigene Gesundheitsdaten zugreifen. Als Spitzenreiter der Digitalisierung werden die skandinavischen Länder und die Schweiz genannt. Deutschland liegt zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur im Mittelfeld. Im Gesundheitswesen ist davon auszugehen, dass u. a. die Etablierung der Telematik-Infrastruktur* die Akzeptanz forciert. Die skandinavischen Länder machen mit einem durchdachten E-Health-Konzept die Digitalisierung im Gesundheitswesen vor. Die Kommunikation zwischen Fachärzten läuft hauptsächlich papierlos. Termine, Folgerezepte etc. können über ein Portal verwaltet werden. E-Rezepte sind gängige Praxis. Der Patient hat Zugang zur eigenen elektronischen Patientenakte (ePa). In Estland und in Spanien nutzen fast alle Hausärzte die ePA. Auch das Vereinigte Königreich ist bei der Nutzung der ePA bereits weit fortgeschritten. Das Land hat eine gute Internet-Infrastruktur und viele junge Ärzte mit e-Kompetenz.

Zirka 58 % der Menschen in Deutschland googeln bereits heute symptom- bzw. krankheitsbezogene Informationen vor einem Arztbesuch; 62 % nach dem Arztbesuch.

Die elektronische Patientenakte ist zentrales Element der vernetzten Gesundheitsversorgung und der Telematik-Infrastruktur. Spätestens ab Januar 2021 müssen in Deutschland gesetzliche Krankenkassen ihren Versicherten eine ePA anbieten. Damit ist eine fall- und einrichtungsübergreifende Dokumentation möglich. Und die Entwicklung geht weiter … die Blockchain-Technologie ermöglicht Plattformen, die sich auf Basis von Algorithmen selbst verwalten, regulieren und kontrollieren. Manipulationen sind nicht möglich, was beispielsweise in der Abrechnung von Leistungen eine Einsatzmöglichkeit dieser Technologie sein könnte.

Demographischer Wandel, digitaler Patient, Marktkonsilodierung, die Plattform-Ökonomie, Blockchain, Praxis- und Laborketten, Globalisierung, Fremdinvestoren…. Zahnärzte, Zahntechniker, Dentalindustrie und Dentalhandel – alle stehen vor großen Herausforderungen. Mit Daten, Zahlen und Fakten wird im Artikel für bestimmte Fragen sensibilisiert, denn momentan geht es in Zahntechnik und Zahnmedizin nicht darum, richtige Antworten parat zu haben, sondern darum, richtige Fragen zu stellen.

Die Informationen für den Artikel sind mit freundlicher Genehmigung der Autoren vom ATLAS DENTAL entnommen. Mit der Studie werden u. a. für das Dentallabor in Deutschland Trends und Tendenzen beleuchtet, um zu informieren und Überlegungen sowie Diskussionen anzuregen.

Digitalisierung im Gesundheitswesen. Anatomie in Virtual Reality. Mit 3D-Brille ins Innere des Körpers; hier eine Reise durch das Gehirn.